„Recht auf Vergessenwerden“ und Verstoß gegen Persönlichkeitsrechte durch Suchergebnisse auf Google und Co
Schon mehrfach traten in der Vergangenheit Mandanten mit dem Anliegen an uns heran, für die Entfernung bestimmter Inhalte oder Äußerungen über sie auf Internetseiten Sorge zu tragen. Meist geht es dabei um unwahre und verleumderische Behauptungen auf Internetseiten in Zusammenhang mit der Nennung des Namens oder andere personenbezogener Daten der Mandanten oder auch um Bilder auf welchen diese abgebildet sind.
Eine Entfernung von solchen Inhalten von den betreffenden Internetseiten zu erreichen, besonders wenn deren Urheber unbekannt ist, oder es sich um eine ausländische Internetseite handelt, deren Server sich ebenfalls im Ausland befindet, ist nicht immer ein einfaches Unterfangen.
Hierfür gibt es diverse Gründe. Um die vollständige Entfernung von Inhalten zu erreichen, muss diese durch eine Person mit den entsprechenden Zugriffsrechten durchgeführt werden. Dies ist entweder der Urheber des Inhalts, bei Foren ein Moderator oder der Webmaster der betreffenden Internetseite.
Der Urheber ist häufig entweder unbekannt oder weigert sich schlicht, die Inhalte zu entfernen. Einen Moderator gibt es oft nicht und Webmaster, sofern diese erreichbar sind, verlangen teils Gerichtsurteile, in welchen festgestellt wird, dass die Inhalte zu entfernen sind oder berufen sich darauf, dass sie aufgrund ihres Sitzes im Ausland nicht dem nationalen Recht unterliegen.
Als Beispiel hierfür ist die Internetseite „kreuz.net“ zu nennen, die von 2004 bis zu ihrer Abschaltung im Dezember 2012 im Internet abrufbar war und unter anderem wegen eines Artikels zum Tode des Komikers Dirk Bach Aufsehen erregte.
Es handelte sich dabei um eine deutschsprachige Seite mit religions- und kirchenbezogenen Texten, deren Inhalte teils rechtsextrem, antisemitisch, frauenfeindlich, homophob, diffamierend und islamfeindlich waren.
Die Betreiber, die behaupteten hauptamtliche Mitarbeiter der römisch-katholischen Kirche zu sein, waren lange Zeit anonym, das Impressum verwies auf eine Adresse in den Vereinigten Staaten.
Trotz diverser Ermittlungsverfahren in Verbindung mit auf der Seite veröffentlichten Artikeln oder gegen die Seite selbst, wurde diese erst im Jahr 2012 abgeschaltet.
Ein Ermittlungsverfahren gegen „kreuz.net“ wegen Volksverhetzung wurde im Januar 2008 aufgrund des damaligen Hostings im US-Bundesstaat Arizona eingestellt, da ein damit verbundenes Rechtshilfeersuchen abschlägig beschieden wurde.
Wollte man zumindest die Suchergebnisse einer Internetsuchmaschine zu den zweifelhaften Inhalten entfernt sehen, so bekam man von den Suchmaschinenbetreibern meist nur den Hinweis, man solle sich wegen der Entfernung der beanstandeten Inhalte an die Webmaster der jeweiligen Internetseiten wenden, was man ja meist bereits erfolglos getan hatte.
Neue Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes
Als Reaktion auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 13.05.2014 (Az.: C – 131/12) hat sich zumindest die Vorgehensweise der Suchmaschinenbetreiber grundlegend geändert.
Gegenstand der Entscheidung des EuGH war die Auslegung der EG-Richtlinie 95/46/EG (Datenschutzrichtlinie) im Kontext der Technologie der Internetsuchmaschinen, welche erst nach Erlass der Richtlinie im Jahre 1995 ihren heutigen Stellenwert erreichte.
Grundlegend wurde in der Entscheidung zunächst geklärt, dass es sich bei der Informationsverarbeitung der Suchmaschinen um eine „Datenverarbeitung“ im Sinne der Richtlinie handelte und dass die Richtlinie sowie Nationales Datenschutzrecht der EU-Mitgliedsstaaten auf die Suchmaschinen Anwendung findet, sofern die Suchmaschinenbetreiber Niederlassungen in den EU-Mitgliedsstaaten unterhalten.
Vor diesem Hintergrund seien die Suchmaschinenbetreiber grundsätzlich verpflichtet, auf Antrag bestimmte Suchergebnisse zu entfernen.
„Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 sind dahin auszulegen, dass der Suchmaschinenbetreiber zur Wahrung der in diesen Bestimmungen vorgesehenen Rechte, sofern deren Voraussetzungen erfüllt sind, dazu verpflichtet ist, von der Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand des Namens einer Person durchgeführte Suche angezeigt wird, Links zu von Dritten veröffentlichten Internetseiten mit Informationen zu dieser Person zu entfernen, auch wenn der Name oder die Informationen auf diesen Internetseiten nicht vorher oder gleichzeitig gelöscht werden und gegebenenfalls auch dann, wenn ihre Veröffentlichung auf den Internetseiten als solche rechtmäßig ist.“
(EuGH, Urteil vom 13.05.2014, Az.: C – 131/12)
Bereits im Juni 2014 reagierte der Suchmaschinenbetreiber Google Inc. auf das Urteil, indem er ein Formular zur Verfügung stellten, mithilfe dessen nun ein „Antrag auf Entfernen von Suchergebnissen nach europäischem Datenschutzrecht“ gestellt werden kann.
Obwohl das Urteil des EuGH gegen Google Inc. erging, zogen andere Suchmaschinenbetreiber wie Yahoo! und Microsoft (Bing) mit und stellten ähnliche Formulare zur Verfügung.
Die Bereitstellung der Formulare ist dabei nur eine Übergangslösung, bis die Suchmaschinenbetreiber, in Zusammenarbeit mit den europäischen Datenschutzbehörden, ein eigenes Verfahren zur Entfernung der Suchergebnisse entwickelt haben.
Wo kann der Antrag gestellt werden?
Ein Antrag auf Entfernung von Suchergebnissen kann bei den jeweiligen Suchmaschinen direkt mithilfe eines von diesen bereitgestellten Online-Formulars gestellt werden.
Wer kann den Antrag stellen?
Den Antrag auf Entfernung kann entweder der Betroffene selbst stellen, zu dessen Namen die Suchergebnisse angezeigt werden, oder ein vertretungsberechtigter Dritter, beispielsweise ein bevollmächtigter Rechtsanwalt.
Um betrügerische Entfernungsanträge zu verhindern, wird der Nachweis der Identität des Betroffenen mithilfe einer gut lesbaren Kopie eines Dokuments zur Bestätigung der Identität verlangt. Soll auch der Link zu einem Lichtbild oder einer Internetseite mit einem Lichtbild des Betroffenen aus den Suchergebnissen entfernt werden, so wird ein Ausweisdokument mit Lichtbild verlangt.
Was wird gelöscht?
Es werden nur Suchergebnisse zu der Suche nach dem Namen des Betroffenen entfernt.
Gelöscht werden Suchergebnisse, welche zu Internetseiten mit Inhalten führen, die entweder einen Verstoß gegen Persönlichkeitsrechte des Betroffenen darstellen oder unter das sogenannte „Recht auf Vergessenwerden“ fallen.
Ein Verstoß gegen Persönlichkeitsrechte liegt beispielsweise vor, wenn es sich bei den Inhalten der Suchergebnisse um unwahre, verleumderische oder beleidigende Äußerungen oder Behauptungen handelt, oder wenn die Privatsphäre des Betroffenen durch die Preisgabe personenbezogener Daten beeinträchtigt wird.
„[38] 38 Durch die Tätigkeit einer Suchmaschine können die Grundrechte auf Achtung des Privatlebens und Schutz personenbezogener Daten somit erheblich beeinträchtigt werden, und zwar zusätzlich zur Tätigkeit der Herausgeber von Websites; als derjenige, der über die Zwecke und Mittel dieser Tätigkeit entscheidet, hat der Suchmaschinenbetreiber daher in seinem Verantwortungsbereich im Rahmen seiner Befugnisse und Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass die Tätigkeit den Anforderungen der Richtlinie 95/46 entspricht, damit die darin vorgesehenen Garantien ihre volle Wirksamkeit entfalten können und ein wirksamer und umfassender Schutz der betroffenen Personen, insbesondere ihres Rechts auf Achtung ihres Privatlebens, tatsächlich verwirklicht werden kann.“
(EuGH, Urteil vom 13.05.2014, Az.: C – 131/12)
Eine Entfernung von Suchergebnissen kann auch dann beantragt werden, wenn es sich zwar um wahre Äußerungen handelt, welche die Persönlichkeitsrechte nicht direkt verletzten, deren Verfügbarkeit im Internet jedoch aufgrund ihres Alters bzw. ihrer mangelnden Aktualität nicht länger im Interesse der Öffentlichkeit liegt.
„[93] 92 Zu Art. 12 Buchst. b der Richtlinie 95/46, der voraussetzt, dass die Verarbeitung personenbezogener Daten nicht den Bestimmungen der Richtlinie entspricht, ist festzustellen, dass die Verarbeitung, wie bereits in Rn. 72 des vorliegenden Urteils ausgeführt, den Bestimmungen der Richtlinie nicht nur nicht entsprechen kann, weil die Daten sachlich unrichtig sind, sondern u. a. auch, weil sie nicht den Zwecken der Verarbeitung entsprechen, dafür nicht erheblich sind oder darüber hinausgehen, nicht auf den neuesten Stand gebracht sind oder länger als erforderlich aufbewahrt werden, es sei denn ihre Aufbewahrung ist für historische, statistische oder wissenschaftliche Zwecke erforderlich.
[94] 93 Aus diesen in Art. 6 Abs. 1 Buchst. c bis e der Richtlinie 95/46 enthaltenen Anforderungen ergibt sich, dass auch eine ursprünglich rechtmäßige Verarbeitung sachlich richtiger Daten im Laufe der Zeit nicht mehr den Bestimmungen der Richtlinie entsprechen kann, wenn die Daten für die Zwecke, für die sie erhoben oder verarbeitet worden sind, nicht mehr erforderlich sind. Das ist insbesondere der Fall, wenn sie diesen Zwecken in Anbetracht der verstrichenen Zeit nicht entsprechen, dafür nicht oder nicht mehr erheblich sind oder darüber hinausgehen.“
(EuGH, Urteil vom 13.05.2014, Az.: C – 131/12)
Entfernen können die Suchmaschinenbetreiber auf Antrag lediglich die Verlinkungen in den Suchergebnissen zu dem Namen des Betroffenen. Die beanstandeten Inhalte selbst werden nicht entfernt, können, wenn sie nicht mehr in den Suchergebnissen auftauchen, jedoch nur wesentlich schwerer gefunden werden.
Entfernt werden darüber hinaus nur Suchergebnisse der Internetpräsenzen der Suchmaschinen in den EU-Mitgliedsstaaten. Beispielsweise werden von Google.de entfernte Suchergebnisse unter Umständen auf Google.com weiterhin angezeigt.
Begründung des Antrags?
Für jede einzelne aus den Suchergebnissen zu entfernende URL verlangen die Suchmaschinenbetreiber eine Begründung, weshalb der Inhalt der verlinkten Internetseite die Persönlichkeitsrechte des betroffenen verletzt oder warum der Inhalt veraltet ist und daher unter das „Recht auf Vergessenwerden“ fällt.
Anhand des konkret beanstandeten Inhalts und der Begründung der Beanstandung führen die Suchmaschinenbetreiber dann eine Abwägung des Interesses des Betroffenen an der Entfernung des Suchergebnisses gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers selbst und dem Interesse der breiten Öffentlichkeit an der Einbeziehung der Informationen in die Suchergebnisse durch. In der Regel überwiegt hierbei das Interesse des Betroffenen.
„Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 sind dahin auszulegen, dass im Rahmen der Beurteilung der Anwendungsvoraussetzungen dieser Bestimmungen u. a. zu prüfen ist, ob die betroffene Person ein Recht darauf hat, dass die Information über sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht mehr durch eine Ergebnisliste, die im Anschluss an eine anhand ihres Namens durchgeführte Suche angezeigt wird, mit ihrem Namen in Verbindung gebracht wird, wobei die Feststellung eines solchen Rechts nicht voraussetzt, dass der betroffenen Person durch die Einbeziehung der betreffenden Information in die Ergebnisliste ein Schaden entsteht. Da die betroffene Person in Anbetracht ihrer Grundrechte aus den Art. 7 und 8 der Charta verlangen kann, dass die betreffende Information der breiten Öffentlichkeit nicht mehr durch Einbeziehung in eine derartige Ergebnisliste zur Verfügung gestellt wird, überwiegen diese Rechte grundsätzlich nicht nur gegenüber dem wirtschaftlichen Interesse des Suchmaschinenbetreibers, sondern auch gegenüber dem Interesse der breiten Öffentlichkeit am Zugang zu der Information bei einer anhand des Namens der betroffenen Person durchgeführten Suche. Dies wäre jedoch nicht der Fall, wenn sich aus besonderen Gründen – wie der Rolle der betreffenden Person im öffentlichen Leben – ergeben sollte, dass der Eingriff in die Grundrechte dieser Person durch das überwiegende Interesse der breiten Öffentlichkeit daran, über die Einbeziehung in eine derartige Ergebnisliste Zugang zu der betreffenden Information zu haben, gerechtfertigt ist.“
(EuGH, Urteil vom 13.05.2014, Az.: C – 131/12)
Was wenn Suchergebnisse nicht entfernt werden?
Lehnt ein Suchmaschinenbetreiber die Entfernung von Suchergebnissen ab, so gibt es zwei potentielle Möglichkeiten, diese doch noch zu erreichen. Die erste Möglichkeit ist eine Klage gegen den Suchmaschinenbetreiber. Aufgrund der Kosten, die eine Klage verursachen kann, ist in der Regel jedoch zunächst die zweiten Möglichkeit vorzuziehen. Diese besteht in der Überprüfung des Entfernungsantrages durch die zuständige Datenschutzbehörde.
„[78] 77 Anträge gemäß Art. 12 Buchst. b und Art. 14 Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 95/46 können von der betroffenen Person unmittelbar an den für die Verarbeitung Verantwortlichen gerichtet werden, der dann sorgfältig ihre Begründetheit zu prüfen und die Verarbeitung der betreffenden Daten gegebenenfalls zu beenden hat. Gibt der für die Verarbeitung Verantwortliche den Anträgen nicht statt, kann sich die betroffene Person an die Kontrollstelle oder das zuständige Gericht wenden, damit diese die erforderlichen Überprüfungen vornehmen und den für die Verarbeitung Verantwortlichen entsprechend anweisen, bestimmte Maßnahmen zu ergreifen.“
(EuGH, Urteil vom 13.05.2014, Az.: C – 131/12)
Wünschen Sie die Entfernung von Suchergebnissen zu Ihrem Namen, oder haben sie bereits ohne Erfolg die Entfernung bei einem Suchmaschinenbetreiber beantragt, können Sie sich gerne mit mir
telefonisch (0431/3053719)
per Fax (0431/3053718)
oder per email (contact@ra-herrle.de) in Verbindung setzen.
Soll ich in einer solchen Angelegenheit für Sie tätig werden, benötige ich dafür von Ihnen die Ablichtung eines Ausweisdokuments, eine genaue Auflistung der zu entfernenden Suchergebnisse und, sofern Sie bereits selbst ohne Erfolg einen Entfernungsantrag gestellt haben, die Bearbeitungsnummer des/der jeweiligen Suchmaschinenbetreiber, die bei Einreichung des Antrages vergeben wurde.
11. Februar 2015
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