Erhöhte Sorgfaltspflichten für rückwärts ausparkende Fahrer
OLG Saarbrücken, Urteil v. 9. Oktober 2014 – 4 U 46/14
Wer rückwärts aus einer Parkbucht ausparkt, sollte besonders umsichtig losfahren. Ansonsten ist es nicht unwahrscheinlich, dass man bei einer Kollision mit einem anderen Fahrzeug voll für den Schaden haftet.
So entschied das OLG Saarbrücken einen Fall, bei dem eine Autofahrerin (Beklagte) rückwärts aus einer Parkbucht eines Kundenparkplatzes fuhr und dabei mit dem Klägerfahrzeug, das sich in der Mittelgasse befand, zusammenstieß.
Über den Unfallhergang gab es teilweise unterschiedliche Angaben. Ein Sachverständigengutachten kam unter anderem zu dem Ergebnis, dass sich das Beklagtenfahrzeug, also die Rückwärtsfahrerin, zum Zeitpunkt des Unfalls bewegt hatte. Dass das Klägerfahrzeug zu schnell, also mit mehr als Schrittgeschwindigkeit gefahren sei, ließ sich nicht feststellen. Dennoch nahm das LG Saarbrücken (Vorinstanz) eine Mitschuld der Klägerin an, weil sich auch die Klägerin zum Unfallzeitpunkt in Bewegung befunden habe. Dadurch ergebe sich ein Verstoß gegen die allgemeine Rücksichtnahmepflicht aus § 1 Abs. 2 StVO, schließlich habe sie die Bewegung der Beklagten sehen müssen.
Rückwärtsfahrerin haftet allein
Das sah das OLG anders. Da die Geschwindigkeit des Klägerfahrzeuges nicht ermittelt werden konnte und nur feststand, dass es sich bewegt hatte zum Zeitpunkt der Kollision, könne eine Verletzung der Rücksichtnahmepflicht nicht schon deshalb begründet sein. Vielmehr sei nach den Angaben des Sachverständigen klar gewesen, dass die Klägerin in einer Entfernung von 2 bis 2,5 Metern zu den von ihr aus rechts gelegenen Parkbuchten fuhr.
Dagegen habe die Beklagte ihre Sorgfaltsflichten verletzt. Wie bereits das LG richtig ausgeführt habe, hätte sich die Beklagte vergewissern müssen, dass es beim Herausfahren aus der Parkbucht zu keiner Gefährdung anderer kommt. Die Tatsache, dass die Beklagte sich zum Unfallzeitpunkt in Bewegung befand, spreche für ein Verschulden ihrerseits. Ein von der Beklagten behaupteter vorkollisionärer Blickkontakt mit der Klägerin sowie (ausreichende) Schulterblicke seien nicht glaubhabt dargelegt worden. Den Rückwärtsfahrenden treffe grundsätzlich „eine vergleichsweise höhere Sorgfaltspflicht als den Vorwärtsfahrenden, da wegen der eingeschränkten Sichtverhältnisse dem Rückwärtsfahren eine höhere Gefahr innewohnt als dem Vorwärtsfahren“. Unter Berücksichtigung der (maßgeblichen) Umstände dieses Falls hafte die Beklagte für den Schaden allein in voller Höhe.