Lorraine Media GmbH – Widerrufsrecht bei Anzeigenauftrag? - Rechtsanwaltskanzlei Herrle

21. Januar 2015

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Lorraine Media GmbH – Widerrufsrecht bei Anzeigenauftrag?

Lorraine Media GmbH – Widerrufsrecht bei Anzeigenauftrag?
Wer ist Lorraine Media GmbH?
Die Firma Lorraine Media GmbH, mit Sitz in Berlin, bezeichnet sich selbst als „junge und zugleich kreative Werbeagentur“.
Sie betreibt mehrere Online-Plattformen, welche sich jeweils als „Online Zeitung für Talente“ präsentieren und mit der Aussicht auf eine Zukunft als Model potentielle Kunden locken. Auf den Websites der Lorraine Media GmbH, www.models-week.de, www.castingzeitung.de und www.modelzeitung.de werden Setcards mit Fotos und einigen Daten der Kunden veröffentlicht. Fotografen, Werbeagenturen usw. können dann über die Websites Kontakt zu den „Models“ aufnehmen um diese zu buchen.
Schon eine kurze Recherche im Internet offenbart die Probleme, die sich aus dem Geschäftsmodell der Lorraine Media GmbH ergeben. Auch bei uns meldeten sich kürzlich Mandanten, die „schlechte Erfahrungen“ mit der Lorraine Media GmbH gemacht hatten.
Geschäftsmodell der Lorraine Media GmbH
Vorgehensweise der Lorraine Media GmbH
Die Vorgehensweise der Lorraine Media GmbH ist seit Jahren identisch.
Die Agentur verschickt, unter dem Namen unterschiedlicher Casting-Agenturen (z.B. CMC, Casting Central und Only Production) Einladungen zu Castings, welche kurze Zeit später in der näheren Umgebung der Empfänger, in der Regel in einem Hotel, veranstaltet werden.
Auf den Einladungen heißt es dann beispielsweise, dass der Empfänger bei einem Scouting in die nähere Auswahl genommen wurde. Wo und wann dieses Scouting stattgefunden hat und wie die Casting-Agentur an die Adressen der Empfänger gekommen ist, verrät die Einladung nicht. Herausgehoben wird, dass die Teilnahme an den Castings für alle Empfänger einer Einladung kostenlos sei.
Diejenigen, welche der Einladung folgen, werden dann am Ort des Castings empfangen und in einem Gespräch mit einem Einstieg in die Model- oder Schauspielbranche gelockt. Die Lorraine Media GmbH behauptet, es bestünden gute Kontakte zu renommierten Fotografen, Modelscouts und anderen Persönlichkeiten innerhalb der Branche.
Am Ende des Castings wird den Teilnehmern dann ein Vertrag vorgelegt, den diese unterschreiben sollen.
Viele der Casting-Teilnehmer nehmen sich nicht die Zeit den Vertrag gründlich zu lesen, bevor sie ihn unterzeichnen.
Anschließend werden Fotos geschossen und die Teilnehmer können wieder nach Hause gehen.
Kurze Zeit später kommt dann die Rechnung.
Lorraine Media GmbH, Vertragsauszug
Bis zu 498,00 € berechnet die Lorraine Media GmbH für den abgeschlossenen „Dauer Werbe- und & Anzeigenauftrag“.
Was die Kunden dafür als Leistung zu erwarten haben ist keineswegs die Vermittlung als Model, sondern lediglich das Einstellen einer digitalen Setcard auf einer oder mehreren Websites der Lorraine Media GmbH für die nächsten zwölf Monate. Nach Ablauf der Vertragslaufzeit verlängert sich diese automatisch um ein weiteres Jahr, sofern nicht rechtzeitig gekündigt wird.
Tatsächlich als Model gebucht werden die Wenigsten.
Internetgerüchte und rechtliche Bewertung
Im Internet ist vereinzelt die Auffassung zu lesen, dass ein Widerruf des mit der Lorraine Media GmbH geschlossenen Vertrages möglich sei, da es sich bei einem während eines Castings unterzeichnete Vertrag um ein Haustürgeschäft handle.
Was im Allgemeinen als „Haustürgeschäft“ bezeichnet wird, definiert das Gesetz als zwischen einem Unternehmer und einem Verbraucher „außerhalb von Geschäftsräumen geschlossenen Vertrag“. Für derartige Verträge sieht § 312g Abs. 1 BGB (bis Mitte 2014 § 312 BGB) ein 14¬ tägiges Widerrufsrecht gemäß § 355 BGB vor.
Widerruft der Verbraucher innerhalb dieser Zeit, so ist er an den Vertrag nicht mehr gebunden. Wird der Verbraucher nicht oder nicht ordnungsgemäß über sein Widerrufsrecht belehrt, so besteht dieses auch nach der 14-tägigen Frist fort.
Zweck der Gewährung dieses Widerrufsrecht ist der Schutz des Verbrauchers vor Verträgen, welche dieser aufgrund der mit der speziellen „Haustürsituation“ einhergehenden Überrumpelung abgeschlossen hat, und die er bei ausreichend Bedenkzeit nicht abgeschlossen hätte.
Fraglich ist allerdings, ob es sich bei einem Casting der Lorraine Media GmbH tatsächlich um ein Haustürgeschäft handelt.
Vom Vorliegen eines Haustürgeschäfts ist in der Regel nicht auszugehen, wenn der Verbraucher einer Einladung des Unternehmers gefolgt ist. Ist dies der Fall, kann sich der Verbraucher auf das Bevorstehende vorbereiten und wird von einem Angebot des Unternehmers nicht überrumpelt. Anders verhält es sich bei Freizeitveranstaltungen zu Verkaufszwecken.
„Eine Freizeitveranstaltung liegt vor, wenn das Freizeit- und das Verkaufsangebot derart miteinander verwoben sind, dass der Kunde in eine freizeitlich unbeschwerte Stimmung versetzt wird und sich dem auf den Vertragsschluss gerichteten Angebot nur schwer entziehen kann, sei es aufgrund der örtlichen und zeitlichen Gegebenheiten, aufgrund eines Gruppenzwanges oder aufgrund der empfundenen Dankbarkeit für das Unterhaltungsangebot.“ (Palandt, BGB, § 312, Rn. 16)
Liegt eine solche Freizeitveranstaltung vor, so besteht auch dann ein Widerrufsrecht, wenn der Verbraucher einer Einladung gefolgt ist. Nach Ansicht derer, welche die Casting-Veranstaltungen für Haustürgeschäfte halten, soll bei diesen eine derartige Freizeitveranstaltung vorliegen.
Entscheidungen der Gerichte
Die Rechtsprechung sieht das Leider größtenteils anders. In diversen Entscheidungen zugunsten der Lorraine Media GmbH wird hierzu ausgeführt, bei einem Casting, für das mit einer möglichen beruflichen Zukunft als Model geworben wird, handle es sich eben grade nicht um eine Freizeitveranstaltung. So heißt es beispielsweise in einem Beschluss des Landgerichts Neubrandenburg:
„Der Beklagten stand kein Widerrufsrecht gemäß § 312 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BGB zu. Auch unter Zugrundelegung des Vortrages der Beklagten erfolgte der Vertragsschluss nicht im Rahmen einer Freizeitveranstaltung im Sinne der vorgenannten Vorschrift. Freizeitveranstaltungen in diesem Sinne sind Verkaufsveranstaltungen, bei denen nach ihrem von der Ankündigung und Durchführung geprägten Gesamtbild in erster Linie von einem Freizeiterlebnis auszugehen ist, mag auch die eigentlich gewerbliche Zielsetzung des Veranstalters von den Teilnehmern nicht völlig übersehen werden (vgl. BGH ZIP 199, 1276 ff.). Hierbei muss der Veranstalter eine Situation schaffen, in der sich der Verbraucher in einer freizeitähnlichen Stimmung befindet, so dass der Geschäftszweck dahinter zurücktritt. Hingegen kann eine Freizeitveranstaltung nicht angenommen werden, wenn die Veranstaltung explizit der Wahrnehmung geschäftlicher Belange des Veranstalters dient und nicht auf das Freizeit- und Unterhaltungsinteresse des Teilnehmers gerichtet ist. Diese Voraussetzungen sind selbst dann anzunehmen, wenn während der Veranstaltung den Besuchern auf unterhaltende Weise Annehmlichkeiten oder Einlagen geboten werden, soweit diese über den Veranstaltungszweck nicht hinwegtäuschen und sich dadurch der Charakter der Veranstaltung nicht ändert (vgl. BGH a.a.O.).
Letzteres ist vorliegend der Fall. Die Beklagte hat keine durchgreifenden Gesichtspunkte genannt, der einen Freizeitcharakter der Veranstaltung begründen könnte, wie etwa die Schifffahrt bei einer Butterfahrt oder der Ausflug bei einer Kaffeefahrt. Vorgetragen werden vielmehr Umstände, welche im ureigensten Geschäftsinteresse der Klägerin liegen, wie Werbemaßnahmen oder das Angebot eines Castings. Allein das Inaussichtstellen eines – auch kostenlosen – Castings reicht zur Bejahung einer Freizeitveranstaltung nicht aus. Den Teilnehmerinnen ist klar, das ein solches Casting auf eine zukünftige Modeltätigkeit abzielt und die Klägerin hierzu notwendige Leistungen erbringt (vgl. Auch Urteil des AG Frankfurt am Main vom 23.04.2012, Az.: 385 C 207/12). Die Beklagte ist damit nicht durch das Freizeiterlebnis zum Vertragsschluss verleitet worden.“ (LG Neubrandenburg, Beschl. vom 03.09.2012, Az.: 1 T 143/12)
Das Landgericht Berlin entschied ebenfalls gegen das Vorliegen einer Freizeitveranstaltung:
„Vorliegend konnte der Beklagte, wie das Erstgericht zu Recht angenommen hat, nicht von einer Freizeitveranstaltung ausgehen. Zutreffend hat das Amtsgericht herausgestellt, dass der Beklagte zu einem Vorstellungs- und Businesstermin eingeladen wurde. Nach der Ankündigung konnte der Beklagte mithin nicht von einem Freizeiterlebnis ausgehen. Dass die Durchführung der Veranstaltung diesen im Vordergrund stehenden geschäftlichen Zweck hat zurücktreten lassen, hat der Beklagte nicht dargelegt. Allein der Umstand, dass sich noch andere Interessierte beworben hatten und zu dem Termin geladen waren, macht die Veranstaltung nicht zur Freizeitveranstaltung, auch wenn dies zu einer ausgelassenen Stimmung geführt haben mag. Der Hinweis des Beklagten darauf, dass alle Interessierten hofften, einen Einstieg in die Foto-, Film- und Werbebranche zu finden, macht vielmehr den im Vordergrund stehenden geschäftlichen Zweck der Veranstaltung deutlich.“ (LG Berlin, Beschl. vom 06.05.2013, Az.: 50 S 22/13)
Empfehlung
Sollten Sie eine Einladung zu einem Casting erhalten, seien Sie sich im Klaren darüber, dass das Ziel des Castings möglicherweise nur der Abschluss eines Vertrages ist, welcher hohe Kosten verursachen kann.
Sollten Sie trotz dieses Wissens dennoch entscheiden an der Veranstaltung teilzunehmen, lassen Sie sich nicht unter Druck setzen. Fragen Sie von sich aus nach den entstehenden Kosten und unterschreiben Sie nur einen Vertrag, den sie zuvor genau gelesen haben.
Sollten sie nach einem Casting eine Zahlungsaufforderung der Lorraine Media GmbH erhalten haben, können Sie mir gerne eine Anfrage per email (ra.herrle@t-online.de) zukommen lassen.