Nicht angeschnallt im Strassenverkehr: Wirkung auf Schmerzensgeld
Nicht angeschnallt: Mitverschulden bei Unfällen ohne automatische Auswirkung auf Schmerzensgeld, OLG München, Urteil v. 7. Juni 2013 – 10 U 1931/12
Wer seinen Sicherheitsgurt nicht anlegt und bei einem Unfall verletzt wird, trägt zwar eine Mitschuld. Allerdings muss diese sich nicht unbedingt auf die Höhe des Schmerzensgeldes auswirken, so das OLG München.
Bei einem Verkehrsunfall erlitt ein Autofahrer durch die Schuld eines anderen Autofahrers eine Knieverletzung, eine Oberschenkelfraktur, eine Thoraxprellung sowie Verletzungen im Gesicht. Der Verletzte verklagte den Unfallverursacher auf Schmerzensgeld.
Mitverschulden des Verletzten
Die Versicherung des Beklagten wollte den Anspruch des Beklagten um 50 % kürzen, weil sie den Kläger in der Mithaftung sah. Nach der Entscheidung des OLG München trägt der Insasse eines Fahrzeugs dann eine Mitschuld, wenn im Falle des Angeschnalltseins die Verletzungen hätten verhindert oder zumindest verringert werden können. Der vom Gericht geladene Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass sämtliche Verletzungen außer der Thoraxprellung bei Anlegen des Gurtes nicht zustandegekommen wären. Daher sah das Gericht eine Mitschuld in Höhe von 1/3 als gegeben.
Bei Schmerzensgeld keine automatische Minderung
Das Mitverschulden müsse aber nicht zwangsläufig zur Kürzung des Schmerzensgeldanspruchs führen, so das OLG. Bei Schmerzensgeld handele es sich im Vergleich zum Schadensersatz um eine Entschädigung mit Genugtuungsfunktion. Die Mitschuld stelle daher nur ein Bemessungskriterium für die Höhe der Entschädigung dar. Vorliegend bestätigte das OLG den beim LG geltend gemachten Schmerzensgeldanspruch in voller Höhe (30.000 €).
Der Originaltenor des Urteils lautet:
„Den Insassen eines Pkw´s, der während der Fahrt den Sicherheitsgurt nicht angelegt hat, trifft im Falle einer Verletzung infolge eines Verkehrsunfalls nur dann eine anspruchsmindernde Mithaftung, wenn im Einzelfall festgestellt ist, dass nach der Art des Unfalls die erlittenen Verletzungen tatsächlich verhindert worden oder zumindest weniger schwerwiegend gewesen wären, wenn der Verletzte zum Zeitpunkt des Unfalls angeschnallt gewesen wäre (Anschluss BGH, 28. Februar 2012, VI ZR 10/11, NZV 2012, 478).“
Das ausführliche Urteil des Gerichts finden Sie hier.
20. Juni 2014