Fall Edathy: Anforderungen an den Besitz von Kinderpornographie - Rechtsanwaltskanzlei Herrle

23. Februar 2014

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Fall Edathy: Anforderungen an den Besitz von Kinderpornographie


Der Fall Sebastian Edathy schlägt momentan hohe Wellen. Ihm wird vorgeworfen, Bilder von nackten Jungen besessen zu haben. Eine Durchsuchung lieferte nicht viel an Beweismaterial, die Ermittlungen des BKA und der Staatsanwaltschaft Hannover haben aber ergeben, dass der ehemalige SPD-Bundestagsabgeordnete mehrere Videos und Fotosets erworben hatte, bei denen minderjährige Jungen im Alter zwischen 9 und 13 zu sehen sind. Sexuelle Handlungen waren hierbei nicht zu sehen, dafür aber eindeutig die Genitalien. Edathy soll das Material im kanadischen Online-Shop Azov Films bestellt haben. Das Unternehmen ist bekannt für die Verbreitung fragwürdiger Inhalte. In Kanada wurden vor ein paar Monaten über 300 Menschen festgenommen.
 
Strafbarkeit beim Posing
Das Material, was Edathy besessen haben soll, zeigt den Ermittlungen der Behörden zu Folge das aufreizende Zurschaustellen von unbekleideten Minderjährigen (sog. Posing). Vor 2008 war eine Strafbarkeit aufgrund des nicht eindeutigen Gesetzeswortlauts beim Posing-Material zweifelhaft (vgl. BGHSt 50, S. 370 ff.). Die Neufassung des § 184b StGB stellt nun klar, dass weder eine Manipulation am Körper des Kindes noch das Bestimmen des Kindes i.S.v. § 176 Abs. 4 Nr. 2 StGB notwendig ist. Damit fällt das Posing unter den Tatbestand des §184b StGB.
 
Besitz von Kinderpornographie
Nach § 184b Abs. 4 StGB macht sich strafbar, wer es unternimmt, sich den Besitz von kinderpornographischen Schriften zu verschaffen, die ein tatsächliches oder wirklichkeitsnahes Geschehen wiedergeben. Kinderpornographische Schriften sind Darstellungen sexueller Handlungen von, an oder vor Kindern unter 14 Jahren. Wie oben geschildert, genügt auch das Posing, welches insoweit den sexuellen Handlungen gleichgestellt wird. Aber auch wenn die betroffene Person tatsächlich älter als 13 Jahre ist, ist das Tatbestandsmerkmal erfüllt, sofern objektiv der Eindruck entsteht, dass das Kind jünger ist.
Edathy hätte sich strafbar gemacht, wenn er im Besitz von Posing-Bildern bzw. Posing-Videos war. Besitz bedeutet tatsächliche Sachherrschaft. Das Material müsste sich also im Machtbereich des Verdächtigen befunden haben. Zweifellos ist das der Fall, wenn sich die Bilder oder Videos in der Wohnung oder auf dem PC von Edathy befunden hätten.
Wie aber sieht es aus, wenn die kinderpornographischen Schriften nicht unmittelbar auf dem PC gespeichert sind und nur betrachtet werden? Hierzu gab es drei wichtige Entscheidungen in den letzten Jahren. 2008 entschied das OLG Hamburg, dass das Merkmal des Besitzes dann erfüllt sei, wenn man Dateien aus dem Internet aufruft und damit automatisch im Cache (Arbeitsspeicher) speichert. Der Nutzer könne „diese Dateien auch nach Verlassen des Internets und selbst nach einem zwischenzeitlichen Abschaltendes Computers jederzeit wieder aufrufen und ansehen, so dass die für die Besitzerlangung erforderliche Herstellung eines tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ersichtlich gegeben“ sei (1-53/08). Das gelte allerdings nur, sofern ein Besitzwille vorliegt, das heißt wenn man weiß, welchen Inhalt die Bilder oder Videos haben und dass sie im Browser-Cache gespeichert werden. Will der Betrachter dagegen die pornographischen Inhalte nach dem Betrachten gleich wieder aus dem Browser-Cache löschen, fehlt es nach Ansicht des OLG am Vorsatz.
Das OLG Hamburg befasste sich 2010 erneut mit der Problematik und entschied, dass das bloße Betrachten kinderpornographischer Inhalte für eine Strafbarkeit ausreiche und es insoweit nicht auf einen Besitzwillen ankomme (2-27/09).
2012 stellte der BGH klar, dass derjenige den Besitz an kinderpornographischen Darstellungen erlange, wer die Datei im Cache speichert, „sofern er sich des Vorhandenseins dieser Daten bewusst ist – da es ihm möglich ist, diese jederzeit wieder aufzurufen, solange sie nicht manuell oder systembedingt automatisch gelöscht werden“ (2 StR 151/11). Im Gegensatz zur Entscheidung des OLG Hamburg von 2010 stellt der BGH also nicht auf das Herunterladen der Datei in den Cache ab, sondern auf den Browser-Cache auf der Festplatte. Außerdem hat der BGH den bereits vom OLG Hamburg 2008 angenommenen Besitzwillen bestätigt. Wird die Datei automatisch oder manuell nach dem Betrachten gelöscht, ist nach Auffassung des BGH kein Besitz i.S.d. § 184b StGB gegeben.