Spin-Off-Gründungen und Anwaltskanzleien - Rechtsanwaltskanzlei Herrle

23. November 2010

Wettbewerbsrecht Zeitschrift Advonet

Spin-Off-Gründungen und Anwaltskanzleien

Unter dem international geläufigen Begriff "Spin Off" ist im allgemeinen das Herauslösen von Unternehmensfunktionen aus einer Muttergesellschaft zu verstehen, welche durch die Einbeziehung Dritter vollzogen wird. Spin-Offs werden bereits seit längerem von größeren Unternehmen praktiziert und sind besonders in der Mittelständischen Wirtschaft zu beobachten.

Die Ursachen für Spin-Offs sind naturgemäß vielfältig. Typischerweise sind immer hochqualifizierte Fachkräfte beteiligt, denen innerhalb der bestehenden Unternehmensstrukturen keine (ausreichende) Perspektive mehr geboten wird bzw. denen die Aufstiegschancen in der bestehenden Firma zu unbestimmt und unkalkulierbar sind.Um gerade dieses wertvolle Personal im Unternehmen zu halten, wird geprüft, ob das Unternehmenssegment, in dem die Fachkräfte tätig sind, verselbständigt werden kann. Den Mitarbeiter soll auf diese Weise eine völlig neue Perspektive aufgezeigt werden, welche eine eigenen Dynamik in sich birgt. Diese Dynamik wird insbesondere dadurch erreicht, dass dem Mitarbeiter weitgehend Verantwortung im Rahmen einer Beteiligung übertragen wird. Kreatives Personal, bei dem immer der Absprung zu einem Konkurrenzunternehmen droht, bleibt dem Unternehmen dadurch nicht nur erhalten. Durch die Übertragung umfangreicher Kompetenzen und Verantwortung entsteht auf diese Weise eine Bindung zwischen Mitarbeiter und Unternehmen, welche allein durch eine Gehaltsaufstockung nicht erreicht werden kann.

Spin-Offs bieten aber aus unternehmensplanerischen Gesichtspunkten noch weitere Vorteile. So lassen sich die Gemeinkosten durch interne Rationalisierungskosten senken. Neue Zielgruppen können durch innovatives Vorgehen erschlossen werden. Durch die Übertragung von Kompetenzen und Verantwortungen lässt sich die Motivation der Mitarbeiter steigern, was wiederum eine erhöhte Produktivität mit sich bringt. Innerhalb dieser neuen Einheiten können neue und eigenständige Organisationsstrukturen gebildet werden, die letztlich auch dem potentiellen Auftraggeber zugute kommen.

Spin Offs sind mehr und mehr auch in Anwaltskanzleien zu beobachten. Allerdings lassen sich die für die freie Wirtschaft geltenden Prinzipien nicht notwendigerweise auf die Anwaltschaft anwenden. Zwar sind Spin-Offs auch in Form einer überregionale Sozietät denkbar. Neudeutsch lässt sich das mit der Gründung von sogenannten "Law-Boutiquen" beschreiben, welche sich dadurch auszeichnen, dass hochspezialisierte Einheiten an verschiedenen Standorten gegründet werden bzw. sich zusammenschließen. Solche "Law-Boutiquen" können z.B. in sogenannten Hochtechnologie-Parks plaziert werden, wie sie mittlerweile im ganzen Bundesgebiet existieren und in denen sich eine zielgerichtete Spezialisierung z.B. auf den Bereich der Neuen Medien lohnen kann. Allerdings sollte dabei bedacht werden, dass allein ein solcher Standort keine Garantie dafür ist, dass bei den benachbarten Unternehmen überhaupt Bedarf für anwaltliche Beratung ist. Oftmals entstehen Mandatsverhältnisse bereits mit der Gründung von Unternehmen und nicht erst mit deren Tätigkeit.

In der Anwaltschaft existiert aber auch eine andere Variante von Spin-Offs. Ein typisches Beispiel ist dabei die Gründung einer Kanzlei, bei der die Gründungspartner zuvor in verschiedenen Großkanzleien tätig waren und die den Schritt wagen, eine hochspezialisierte und von den ehemaligen Partnern unabhängige Einheit realisieren. Dass dies auch unter Mitnahme von Mandanten geschieht dürfte die Regel sein. Gerade dieser Umstand wird aber auch regelmäßig zu Unstimmigkeiten mit den früheren Arbeitgebern bzw. Partnern führen. Die frühzeitige Bindung von Mandanten kann sich also, je nach Standpunkt, als durchaus vorteilhaft erweisen. Spin-Offs dieser Generation haben es aufgrund ihres "übernommenen" Mandantenstamms naturgemäß leichter, sich schnell am Markt zu etablieren und sich weiter auszubauen.

Es ist kein Geheimnis, dass die Zukunft der Anwaltschaft nicht notwendigerweise bei den Großkanzleien liegt. Individuelle und persönliche Beratung von hochqualifizierten Fachkräften in einer Umgebung, welche auf die potentielle Mandantschaft zugeschnitten ist, wird sich zumindest als eine Alternative erweisen.

CMH